Wiesenhelden packen aus!

Geheimnisse des Wiesenreiches!

Als Wiesenhelden-Reporter haben wir bei unseren Touren mit allerhand Lebewesen sprechen können. Immer mal wieder sind wir auf eines getroffen,

dass nicht mehr weitermachen konnte oder wollte. Der Wunsch nach Veränderung macht sich breit. Daher haben wir uns entschlossen,

jeden Monat einen von ihnen hier auf dieser Webseite, auf diesem Enthüllungsblog selbst zu Wort kommen zu lassen.

Und wenn Ihr eine Idee habt, wie man da etwas ändern könnte, dann schreibt uns einfach <Kontakt>

 

Euer Linus, Balduin und Eure Marina und Alby!

(alias Andrea Dejon)

2021 - Grenzwertig

Wer versucht sich denn da abzuseilen?
Wer versucht sich denn da abzuseilen?

Es ist nicht zu glauben, schon wieder will einer unerlaubt aus der Reihe tanzen. Immer diese Gier nach mehr Leben. Wo kommen wir dahin, wenn sich ein jeder immer stets die Freiheiten heraus nehmen würde, die ihm gerade in den Kram passen.

Das pure Chaos würde gar daraus erwachsen. So etwas, kann doch nicht normal sein!

Dann am Besten die Schere hernehmen und rigoros den Kerl zurecht stutzen. Dies wird ihn lehren sich das nächste Mal an die Regeln zu halten.

 

 Also nicht lange gefackelt, die Lunte will brennen!

 

Aber dieses junge aufstrebende Leben, wie es mir da so keck entgegen blickt, wie es so ganz selbstverständlich Raum für sich beansprucht. Dabei kann es sich noch gar nicht selbst ernähren, und besitzt bislang gar keine Wurzeln. Es ist voll und ganz abhängig von den Großen.

 

 

Vorsichtig nehme ich das kleine Erdbeer-Jungpflänzchen in die Hand.

Die Mutterpflanze hat es ausgeschickt, damit es sie nach und nach ein Stück weiter bringen kann. Pflanzen haben keine Beine, mit denen sie sich von einem Ort fortbewegen können. Aber einige Pflanzen sind in der Lage sich sozusagen zu klonen und dann diese Winzlinge einige Zentimeter neben ihrem Standort neu erstehen zu lassen. In einem Sommer können das durchaus mal bis zu zwei oder drei Meter werden. So erobern sie nach und nach mehr Raum für sich. Selbst ein Zaun hält sie nicht davon ab, den Weg in die neue Freiheit zu finden.

 

Zuerst streckt der Neuankömmling seine grünen Blätter aus, um Licht einzusammeln. Wasser und Mineralstoffe erhält es von der großen Pflanze, ähnlich wie ein Baby im Mutterleib ernährt wird. Die beiden stimmen sich untereinander ab. Sie fühlen und hören einander, und gehen äußerst achtsam miteinander um.

 

Dann tastet der Kleine sich vorsichtig am unteren Ende heraus und bildet Haftfüsschen aus. Denn er braucht erst mal etwas Standfestigkeit. Es ist wichtig einen festen Stand zu haben, zu wissen wo man hingehört und, dass man dort in aller Ruhe sich entwickeln kann. Dafür sind Eltern äußerst relevant!

Würde die Mutterpflanze ganz plötzlich den Saft abdrehen oder ein Tier beißt diese Verbindung durch, dann würde dies in diesem Stadium das Ende für den Kleinen bedeuten. Und ist es wirklich so falsch, dass dieser Winzling eine kleine Welt für sich erobern will?

 

Und mit der Zeit braucht der Kleine einfach etwas mehr Raum. Leben will gelebt werden. Es braucht nur wenig, um sich selbst zu spüren, und um gar diese Lebensfreude weiter zu geben.

 

Wenn ein Lebewesen Eltern hat, kann es sich erlauben, zuerst nach den Sternen, dem Sonnenlicht, zu greifen. Und dieses Licht kommt zielgerichtet auf der Erde an. Es wurde von einem Energie erzeugenden System erschaffen – eine chaotische Kollision von Wasserstoffatomen, die miteinander verschmelzen. Und diese neue Kraft hat der Stern erst einmal für sehr, sehr lange Zeit in seinem Inneren Gefängnis behalten, bis er es dann am Ende in Form von Licht in die Welt hinaus geschickt hat.

Täte eine Sonne das nicht, würde sie übrigens viel zu schnell ausbrennen und statt Leben zu bringen, würde sie es beenden!

Wenn das Licht schließlich zu uns auf die Erde kommt, trifft es auf die unterschiedlichsten Oberflächen. Ein Teil der Energie wird dort entnommen, der Rest sozusagen zurück geschickt. Man könnte fast sagen, dass im Licht nun das pure Chaos ausbricht, welches wir Menschen dann als buntes Farbenmeer sehen können. Wäre das nicht so, dann leuchtete alles in einer einzige Farbe. Es gäbe keine Kontraste, keine Schatten und unsere Augen wären zur Orientierung unnütz.

Ein Lebewesen dagegen, welches ohne diesen elterlichen Schutz aufwachsen muss, ist wie ein Samenkorn, das erst einmal lernen muss Dunkelheit und Einsamkeit auszuhalten. Die Hülle, die es einst geschützt hat, muss es gewaltsam aufbrechen und sich dann im Boden blind verankern. Und wen es dafür nicht die Kraft hat, dann wird es sinnlos sterben.

Im nächsten Schritt geht es darum, an Wasser – das Elixier des Lebens - zu gelangen. Und es muss sauberes Wasser sein, denn sonst schwächelt die Pflanze, wird krank und muss viel zu früh sterben!

Und erst, wenn sie das alles so weit vorbereitet hat, können wir ihre Flügel beobachten, wie sie diese Grün aus der Erde streckt, um sich vom Licht zu nähren und Chaos in Form von Farben und Schatten zu erzeugen.

 

Und, mit welchem System würden Sie ihr Leben beschreiben? Würden Sie sich nicht vielleicht wünschen lieber ein solches Erdbeer-Jungpflänzchen zu sein, dass sich mutig versucht abzusetzen?!

Wäre es nicht schön, wenn wir alle dieser behütete Sprößling sein dürften?

 

 

Es braucht nur ein wenig mehr Wir-Gefühl. Den anderen erspüren, ohne ihn dafür unbedingt sehen oder zu dicht aufsitzen zu müssen. Mal braucht es ein Chaos, das Unruhe bringt oder ausbrechen will, mal Zurückhaltung, die in manchen Zeiten einem Gefängnis durchaus gleich kommen kann, und mal Freigiebigkeit und Freiraum für Möglichkeiten.

 

August 2021, Andrea Dejon

 

Lebensaufgabe erfüllt

 Unsere großen, gelbschwarz-gestreiften Verwandten sind ja bei Euch Menschen nicht sonderlich beliebt. Dennoch helfen sie, genauso wie wir, dabei mit, dass es von einigen Insektenarten nicht zu viele gibt. Denn das natürliche Gleichgewicht wird wie bei Euch Menschen von Angebot und Nachfrage bestimmt. Manche Tiere produzieren extrem viele Nachkommen, weil sie eben als Futter sehr gefragt sind. Von vielen Hundert Kindern kommen vielleicht nur ein oder zwei durch und können erwachsen werden. Fehlen aber die Fressfeinde, so überschwemmen sie die Pflanzen regelrecht mit ihrer Menge und sie werden dann zu Schädlingen.

Eigentlich würde die Natur das ganze dann wieder ausgleichen. Denn jeder hat eine Aufgabe und ist wichtig für das gute Funktionieren des Netzwerkes Erde. Gibt es ein Änderung, aktiviert sich das System und schaltet dann andere Fressfeinde oder Variationen ein, allerdings kann eine Veränderung auch mal länger dauern. Schlagartig per Knopfdruck von einem Moment auf den nächsten, das ist keine gute Art für Modifizierungen. Dabei ist die Fehlerrate viel zu groß.

Auch die Futterpflanzen würden eigentlich um Hilfe rufen – leider lasst Ihr Menschen nicht mehr zu, dass sie sich untereinander austauschen und unterhalten können. Oder ihr pumpt sie so mit Gift voll, dass wir als Pflanzenhelfer gar nicht mehr arbeiten können und elendig sterben. Ich frag mich nur, ob ihr es wie viele Raupenarten auch irgendwie geschafft habt, gegen diese Gifte immun zu sein. Oder seid ihr am Ende so dumm, und vergiftet Euch dann gar selbst?

Naja, dass müsst ihr Menschen selbst mit Euch ausmachen. Wir jedenfalls verlassen uns blind und vertrauensvoll auf die Natur. Und zum Glück gibt es immer noch Wildpflanzen, die das Sprechen nicht verlernt haben. Sobald sie angeknabert werden, rufen sie um Hilfe. Und wir aus dem Stamm der Wespen sind bei den Pflanzen daher besonders beliebt.

 

Gut mein Stamm ist zu klein, um eine Raupe oder eine Larve einfach zu schnappen, um sie als Futter für den Nachwuchs dann ins Nest fliegen zu können, dafür haben wir andere Qualitäten. Wer ein kleiner Jäger ist, muss sich schon einiges einfallen lassen. Von daher ist es gut, wenn man sich mit Fremdsprachen auskennt. Vor allem, was die Unterschaltungen in Zellen anbelangt, können wir gut mithören und mitreden. Daher kennen wir auch die geheimsten Wünsche dieser Tierchen. Und diesen Wunsch erfüllen wir ihnen. Sogar weit aus besser, als das ihre eigene Gattung dies zu Wege bringen könnte.

Wenn unsere Mama uns als Ei auf einer Raupe ablegt, beginnen wir uns darauf vorzubereiten sozusagen die Raupe zu kapern. Überaus einfühlsam gehen wir dabei vor. Ach, das seht ihr anders? Ihr glaubt, wir würden ihr einfach unsren Nachwuchs auf ihren Rücken aufbürden und sie anschließend so lange ausbeuten bis sie stirbt?

Nein, da überseht ihr das große Ganze.

 

Ja gut, wir sorgen dafür, dass Raupen sterben und somit nicht weiter die Pflanze auffressen können, aber wir sind deshalb keine Mörder. Ganz im Gegenteil, wir verhelfen einer Raupe dabei schon in sehr jungen Jahren Mutterglück zu erfahren. Und das nicht, in dem sie einfach nur irgendwo ein Ei ablegt, dessen Jungtier dann ganz allein irgendwie durchkommen muss. Nein, wir geben der Raupe die einzigartige Gelegenheit, uns füttern und beschützen zu dürfen. Sie darf unsere Nähe spüren, ganz nah, fühlen wie wir größer werden und wachsen. Dank unserer Hilfe darf sie voll und ganz in ihrer neuen Rolle aufgehen, bei der es nicht mehr um ein egoistisches Ich geht, sondern um eine alles verwirklichende Lebensaufgabe geht. - Und so etwas findet sich nicht sehr oft im Tierreich!

 

Klar, für alle ist es überlebenswichtig ihre Lebensaufgabe zu erfüllen, die da heißt: Nachwuchs zu produzieren und ihnen das Überleben zu sichern. Was darüber hinaus geht und ihr Menschen als Mutterliebe betitelt, diesen Luxus können sich wirklich nur die wenigsten leisten.

Auch eine Raupe würde dieses Wunder niemals kennen lernen. Denn wenn sie als Schmetterling die Elternschaft übernimmt, besteht dies nur im Eier legen. Mehr Gefühl ist da nicht drin!

Aber dank uns, braucht sie nicht übermäßig lange mit Überleben-Müssen-Ängsten durch die Welt zu wandern. Der Überlebenskampf ist für sie viel kürzer, dank der zeitlichen Beschleunigung erlebt sie schon sehr früh den eigentlichen Sinn ihres Lebens.

Wir geben der Raupe zu verstehen: Wir sind deine Kinder. Wir sind ein Teil von Dir.

Sobald wir uns eingesponnen haben, um uns zu verpuppen, hat die Raupe ihre Lebensaufgabe voll und ganz erfüllt. Sie braucht dann nicht mehr weiter Unmengen zu fressen, und sich als reine Fressmaschine durchs die Pflanzenwelt zu bewegen. Die Furcht davor selbst gefressen zu werden, ohne Nachwuchs gehabt zu haben, ist vorbei. Jetzt kann sie einfach nur die Welt um sich herum betrachten, sich Zeit nehmen und die Schönheit in sich einsaugen - vollkommen frei von jeder Art von Angst und Zwang.

Dass sie selbst eigentlich noch ein Kind ist, und weiter fressen sollte, um sich zu verpuppen, hat sie vollkommen vergessen. Zufrieden mit sich und ihrer Arbeit schlummert sie ein und wird niemals als Schmetterling neu erwachen können.

 

Obwohl, wenn ich den Gerüchten glauben darf, macht Ihr das auch vor allem bei Eurem eigenen Stamm! Mehr noch: Ihr manipuliert Eure eigene Art und verweigert ihnen dabei die Möglichkeit ihren wahren Lebenssinn zu finden und darin aufblühen zu dürfen.

Naja, ich bin eben nur ein kleines Insekt, und kann so was einfach nicht verstehen.

Karsten Eulophidae

Erzwespe

 

 

 

Alles nur eine Sache der Perspektive

Vor unendlich vielen Sonnenumläufen – ihr Menschen würdet sagen vor mehreren Tausenden von Jahren – waren die großen Viehherden dafür verantwortlich, dass die Wälder immer schön luftig blieben. Überall gab es Lichtungen, die erst die große Artenvielfalt an Lebewesen ermöglichten. Die großen, Pflanzen fressenden Tiere sorgten dafür, dass die Bäume nicht überhand nehmen konnten, denn das Gleichgewicht der Kräfte sollte immer gewahrt bleiben.

In jenen Tagen war der Mensch ebenfalls gerne in diesen sonnendurchfluteten Wäldern unterwegs. Alles war noch ein großes Netzwerk, in dem jeder den andern zu schätzen wusste – ganz ohne Vorurteile und Einteilungen in: das ist gut und das ist böse.

Aber irgendwann änderte sich das. Manchmal glaube ich, ein Virus muss Euch Menschen infiziert und blind gemacht haben. Denn der sorgsame Umgang mit Ressourcen änderte sich, Ihr wurdet regelrecht unersättlich. Bald schon gab es keine Bison- oder Rinderherden mehr, keine großen Gemeinschaften aus Rehen und Rotwild, die viele der kleinen Bäumchen auffraßen, die die Lichtung hätten verdunkeln können.

So veränderten sich die Wälder. Sie wurden dunkler und finsterer, und da Ihr Menschen anscheinend Angst vor der Dunkelheit habt, hattet Ihr Euch nach und nach nicht mehr tief in die Wälder hinein gewagt. Stattdessen entstanden Gruselgeschichten über finstere Mächte, die dort wohnen würden. Die Zeit des Bösen war herein gebrochen. Und dieses Böse musste vernichtet werden.

Also übergab Mutter Natur meinem Stamm die Aufgabe dafür zu sorgen, dass wieder mehr Licht in den Wald kommen sollte. Wenn das Großwild fehlte, dass die Bäume klein hielt, musste ein sehr kleines Tierchen nun diese große, fast schon riesige Aufgabe übernehmen.

Eine Aufgabe, die zu einer recht schweren Bürde im Laufe der Jahre für uns wurde!

Aber dennoch, wir waren sehr fleißig, kann ich nur sagen. Meine Vorfahren gaben alles. Wir Männchen nagten Gänge unter die Rinde, um dort ein kleines Dorf für unsere Familien zu errichten. Und der Pilz, den wir als Saatgut mitgebracht hatten, ermöglichte es den Baum schließlich zum Abschied nehmen zu bewegen. Nach und nach wurde es wieder heller im Wald und der Mensch wagte sich ebenfalls wieder hinein. Aber die Beziehung zu den Bäumen hatte sich geändert.

Ein Baum war nicht mehr Teil eines großen WIR, sondern nur noch einfaches, aber wichtiges Baumaterial – und heute? Da sind die Bäume noch viel weniger. Sie sind nur noch Dekoartikel für das Innere Eurer Behausungen. Dekoartikel, die ständig ausgetauscht werden müssen, weil sie sonst zu langweilig werden. Etwas, was für meinen Stamm vollkommen unverständlich ist.

Wie kann man einen Baum töten, nur um etwas daraus zu machen, dass gleich wieder entsorgt und verbrannt wird? Und das in so großen Massen, dass der Lebensraum von so vielen Lebewesen bedroht ist. Sogar der von Euch Menschen selbst!

Wenn wir los legen, achten wir zumindest darauf, nur die schwachen Bäume zu nehmen. Gut, in den letzten Jahren hat mein Stamm sich etwas stärker vermehrt - bei den schlechten Umweltbedingungen unter denen so manche Baumgemeinschaft zu leben hatte - kein Wunder. Die Bäume fanden es unerträglich ein solches Schattendasein zu fristen. Sie hatten meinen Stamm förmlich angefleht, hier etwas zu ändern. Wir sollten einen Neuanfang schaffen, bei dem alle Lebewesen wieder von Grund auf lernen sich wieder in einem Netzwerk als ein Wir zu fühlen.

Also haben wir getan, was ein Borkenkäfer tun muss. Und, wenn der Gegenspieler fehlt, kann es durchaus auch mal vorkommen, dass die Gier nach mehr zu einer durchschlagenden Kraft wird.

Die vielen Pestizide und Monokulturen im Wald, schwächen die Bäume. Einen durch und durch starken Baum, der in gesunder Gemeinschaft mit anderen Lebewesen lebt, bei dem könnte keiner aus unserer Familie auch nur einen Tunneleingang rein knabbern.

Ganz im Gegensatz zu Euch! Ihr sucht die besten Exemplare heraus und vernichtet sie aus purem Egoismus heraus. Doch, wenn wir uns dann an unsere Arbeit machen, kommt die große Eifersucht hoch. Keinen Baum gönnt Ihr uns, und dass obwohl wir uns im Gegensatz zu Euch Menschen an unsren Auftrag halten, den Mutter Natur uns erteilt hat.

Und in der heutigen Zeit, da das Gleichgewicht im Netzwerk immer mehr in Schieflage gerät, wäre es zudem sehr wichtig, wenn wir unsere Arbeit tun dürften. Zusammen mit den anderen Wiesenhelden. Gemeinsam könnten wir dafür Sorgen, dass der Wald wieder das wird, was er sein sollte. Die große atmende Lunge des Planeten, der mit seinen sonnigen Plätzen zu einer überaus positiv gestimmten Kraft wird, die ein zufriedenes Lächeln in Eure Gesichter zu zaubern vermag.

Doch das geht nur, wenn wir alle in Ruhe unsere Arbeit machen dürfen – auch, wenn Ihr das große Ganze dahinter nicht sehen könnt. Es ist da! Und die Zeit ist mehr als überreif dafür. Es muss sich etwas ändern, so kann es nicht weitergehen. Ihr arbeitet ja nur daran, alles noch tiefer in den Abgrund hinein zu treiben!

Also, was spricht denn gegen eine Chance für einen wirklichen Neuanfang?

Euer Bernhard Burri

Borkenkäfer

Doppelgänger

Wie oft soll ich das eigentlich noch erklären. Ich bin kein Blutsauger mit Riesenwuchs. Ich hab weder vorne einen Stechrüssel, noch an meinem Hinterteil einen Stachel zum Stechen. - So ein harmloses Kerlchen wie mich, gibt es sehr selten.

Mein Mundwerkzeug ist sogar so klein, dass ich nur den Nektar schlürfen kann, der an der Oberfläche zu finden und gut erreichbar ist, wie Wasser in einer Pfütze. Und als Flieger stell ich mich auch mehr schlecht als recht an - was einer echten Stechmücke niemals passieren würde. Sie können ausgezeichnet und zielgerichtet Fliegen.

 

Die Menschen machen ganz ohne Grund auf uns eine Hexenjagd. Meine Cousins, die Riesenschnaken, haben sie schon fast ausgerottet. Dabei sind seine Jungtiere wichtige Wasserbewohner. Sie leben im Schlamm des Wassers. Dort verarbeiten sie verrottende Pflanzen zu Humuserde. Und weil sie Sauerstoff benötigen, tauchen sie immer mal wieder auf und nehmen diesen in Blasen mit auf den Grund - das reichert das Wasser mit Sauerstoff an, was viele Kleinsttierchen darin und auch die Fische benötigen.

Gut, unsere Larven gebe ich ja zu, sind nicht so ganz ohne. Sie leben im Erdreich der Wiesen und ernähren sich von den Wurzeln der Gräser. Dafür sind sie aber auch beliebte Nahrungsobjekte. Vögel haben unseren Nachwuchs zum Fressen gern und auch die Spitzmäuse und Maulwurfsgrillen.

Doch irgendwie sind auch die anderen Bewohner im Erdboden seltener geworden. Der Boden ist stellenweise so fest, dass sich unsere Kleinen nur direkt unter der Oberfläche aufhalten können und somit nicht zu den Wurzeln in den tieferen Erdlagen vordringen können. Selbst den Gräsern ist es meist nicht möglich ihre Wurzeln richtig tief zu verankern. Und wenn Pflanzen die in die Tiefe wachsenden Wurzeln fehlen, sind sie verletzbarer. Es fehlt der entsprechende Tiefgang, der den Pflanzen wichtige Nährstoffe und Inhaltsstoffe zum besseren Wachstum ermöglichen würde.

 

Ist doch kein Wunder, dass unsere Kleinen sich dann auf wie Schädlinge auswirken, obwohl sie eigentlich ursprünglich nur die Aufgabe hatten, die Pflanzen dazu anzuregen ein größeres Wurzelgeflecht anzulegen.

Der Mensch steht anscheinend auf Monotonie. Er legt ganze Rasenflächen an, die nur einen einzigen Gras-Stamm enthalten. Die Artenvielfalt als Lebensgrundlage ist hier völlig verschwunden.

Stattdessen wird der Rasen dann beständig fein gemäht, gedüngt und mit Eisenstacheln durchlüftet. Der Mensch agiert so egoistisch, als dürfe niemand anderes etwas von seinen heiligen, grünen Gral haben. Er gibt keinem anderen Tierchen die Chance sich in irgendeiner Weise zu "bereichern".

 

Dabei hat kein Wiesenheld vor, dem Menschen etwas weg zu nehmen. Ganz im Gegenteil: unser Dasein auf seinem grünen Paradies würde ihm Arbeit ersparen und sogar vor Krankheiten bewahren!

 

Ich kann einfach nicht glauben, dass der Mensch wirklich so blind ist. Nun ja, er verwechselt eine große Schnake ja auch mit einer kleinen Stechmücke - wirklich gut sehen kann er daher wohl nicht.

Trotzdem, müsste er doch auf irgendeine Art und Weise die positive Seite unseres Daseins merken. Er hat doch auch ein Empfangssystem an seinem Kopf.

 

Gut im Verhältnis gesehen sind unsere Fühler größer als seine Ohren, dennoch müssen diese Dinger doch auch als Sensoren ihren Dienst versehen. Die Gattung Mensch gibt es schließlich auch schon seit etwas mehr als einer Million Jahren... obwohl, vielleicht macht er im Moment eine Art Rückentwicklung durch... wie so eine Art Sicherungssystem gegen Überbevölkerung. Denn, wo die natürlichen Feinde fehlen, muss ein anderer Trick her, der ein Lebewesen in seine naturgemäßen Schranken weißt.

 

Wenn ich so darüber nachdenke, deutet alles darauf hin. Wie sonst kann es sein, dass der Mensch nicht merkt, dass er seine eigenen Lebensgrundlagen zerstört.... der Erdboden braucht unterschiedlich große Arbeiter, die den Boden durchlüften und es den anderen Helfern erst möglich machen ihren Dienst zu tun.

Außerdem: Düngung führt dazu, dass Regenwürmer Probleme bekommen. von dem mal abgesehen, dass sie nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen können und krank werden. Dachse und Hasen sind die größten Helfer im Erdreich, gefolgt von den Maulwürfen und Mäusen. Danach kommen die Maulwurfsgrillen, Regenwürmer und Engerlinge. Ein jeder hat so seinen Platz, und wenn einer in der Reihe fehlt, können das die anderen nur schwer wieder gerade biegen. Noch schwerer, wenn gar 3/4 aller Helfer verdrängt werden. Ist doch kein Wunder, wenn dann alles schief läuft!

 

Vielleicht sollte ich mich mal umhören, ob jemand möglicherweise eine Idee für eine entsprechende Brille für den Menschen hat. Wer weiß, vielleicht brauchen sie ja einfach nur die richtigen Gläser, um die Welt und die Natur wieder mit allen Sinnen sehen zu können.

 

Karin Sinnend, Kohlschnake

 

 

Denn sie wissen nicht, was sie wollen!

Ich versteh die Welt nicht mehr. Wieso haben uns die Menschen aus Asien in den Achtziger-Jahren als Helfer in ihr Land geholt, wenn sie uns jetzt immer mehr an den Pranger stellen. Von wegen, wir würden nie genug bekommen - ich glaub, da haben die Zweibeiner wohl eher ihr Spiegelbild angeschaut. 

Und natürlich sind wir anders, als die einheimischen Marienkäfer. Wir kommen aus Gebieten, die nicht so behütet sind und daher musste sich unser Organismus daran gewöhnen, sich möglichst schnell zu entwickeln. Deshalb dauert bei unserem Nachwuchs die Kinderzeit nur drei Wochen, bei euren Einheimischen sind es 40 bis 60 Tage. Und da können wir durchaus mehrfach Familien gründen. Was die Nahrung anbetrifft, gilt das gleiche. Wer schnell heran wachsen muss, dessen Körper braucht auch viel mehr Nahrung. 

Daher fressen wir durchaus auch mal Obst, wenn nicht genug tierische Nahrung vorhanden ist. Aber am liebsten fressen die Kleinen nunmal Proteine. Unser Nachwuchs ist hart im Nehmen, notfalls auf Kosten ihrer eigenen Geschwister. Denn mal ehrlich, was bringt es, wenn alle verhungern müssten und keiner durch käme. Da ist es doch besser seinen Bruder oder seine Schwester zu fressen und für ihn oder sie sich zu einem Käfer entwickeln zu können.

 

Aber allem Anschein nach, sind die Menschen nicht besonders intelligent. Wer holt sich denn einen Helfer in sein Land ohne ihn genauesten durchzuchecken. Schließlich gibt es überall unterschiedliche Lebensbedingungen. Wieso sonst hätten sich in den verschiedenen Ländern wohl die Arten im Laufe der Zeit so unterschiedlich entwickeln müssen? Und klar anpassungsfähig sind so manche Einwanderer durchaus - das gehört eben zur Grundausstattung eines Überlebenskünstlers.

Von dem mal abgesehen, war der Zwei-Punkt ursprünglich ja auch in einer anderen Gegend zuhause.

Und unsere Larven sind nicht die einzigen, die die Kinder von anderen Marienkäferstämmen fressen. Der Zwei- und Siebenpunkt macht das auch. Allerdings wurden mit unserer Einführung auch einige unserer Parasiten mit genommen. 

Wir haben gegen diese eine Art Impfstoff entwickelt - kein Wunder, wir leben ja mit ihnen schon seit Tausenden von Jahren zusammen, da hat der Körper schon verschiedene Möglichkeiten entwickelt, um sich dagegen zu schützen.

Wenn die Zweipunkt-Larve unsere Kinder frisst, wird sie oftmals mit diesem Parasiten infiziert, kann sich aber dagegen nicht gegen diesen schützen - dagegen hat der Siebenpunkt ein besseres Abwehrsystem.

 

Und von wegen einiger Bericht von den Menschen, die besagen: den Asiaten könne nichts uns aufhalten!

Was viele nicht wissen, dass wir auch Fressfeinde haben. Diese überfallen unsere Larven und beginnen ihre Entwicklung erst, wenn diese sich im Puppenstadium befinden. Von daher haben wir mit dem Stamm dieser Buckelfliegen kein besonders gutes Verhältnis. Und auch mit den Brackwespen stehen wir auf Kriegsfuß

Aber wenn wir erst einmal ein ausgewachsener Käfer geworden sind, können wir uns gut verteidigen. Sofern wir direkt angegriffen werden - wie das die Ameisen tun, wenn wir ihre Honigtau-Weidetiere, die Blattläuse, fressen. Denn zu unserer Verteidigung produzieren wir eine ätzende Substanz. Sie funktioniert im Kampf gegen Ameisen sehr gut. Nur eben nicht bei all unseren Fressfeinden: einige Spinnen- und Raupenfliegenarten. Sie wissen genau wie sie uns überlisten können. Von den Großkäferarten mal ganz abgesehen, für die wir nur ein kleiner Snack sind.

 

Zudem sind wir Gewohnheitstiere. Wir sind darauf spezialisiert in Felsspalten zu überwintern. Aber diese Art von Winterquartieren sind hier in Deutschland recht selten anzutreffen. Dafür gibt es allerhand Örtlichkeiten, die einer Felsspalte ähnlich sehen. Denn eine solche Spalte erkennen wir daran, dass ihre hellere Grundfärbung aus der Umgebung markant in unserem Gehirn aufblinkt. Nur dass dummerweise meist hier keine Spalte dahinter steckt, sondern Fensterrahmen und ähnliches Häuserzeug.

Vor allem, wenn die kalte Jahreszeit näher rückt, sind wir sehr kollegial eingestellt. Wenn wir glauben einen Überwinterungsort gefunden zu haben, rufen wir unsere Artgenossen mit unsrem ureigenen Spezialparfum. Tja, und so können durchaus einige Hundert oder Tausend einen solchen Platz erstürmen.

 

Heiko Gutfresser – Harlekin-Marienkäfer

(asiatischer Marienkäfer)

 

Hungrig nach Blut

Die Larve einer Stechmücke hängt direkt an der Wasseroberfläche und atmet mit ihrem Hinterteil!
Die Larve einer Stechmücke hängt direkt an der Wasseroberfläche und atmet mit ihrem Hinterteil!

Jeder hat so seinen ganz eigenen Geschmack. Unsere Spezies steht nun mal auf Kohlendioxid - ein Abfallgas, das viele Lebewesen beim Ausatmen produzieren und vor dem sich viele fürchten. Denn wer zuviel davon einatmet, der erstickt.

 

Uns zeigt es allerdings die Spur zu einer neuen Nahrungsquelle, die viele Proteine enthält. Und das ist wichtig, vor allem für die Weibchen aus unserer Population. Wir brauchen Blut, damit sich die Eier in unserem Bauch entwickeln können. Pflanzliche Nahrung reicht dafür nicht aus und da wir kein Kauwerkzeug besitzen, um andere Mücken zu fangen, mussten wir uns im Laufe der Evolution was einfallen lassen, um unseren Fortbestand zu sichern. Wir Weibchen fressen zwar auch Nektar wie die Männchen, aber nur so lange es nicht um die Fortpflanzung geht.

 

Wenn unser Stamm nicht auf der Nahrungs-Beliebtheits-Liste von viele Lebewesen ganz oben stünde, müssten wir uns auch nicht so abmühen, um auf schnellstem Wege unseren Nachwuchs bekommen zu können. Egal ob Jagdinsekt, Spinnentier, Vogel, Spitz oder Fledermaus - sie alle gründen ihre Existenz auf unseren Stamm und den unserer Verwandten.

Obwohl, einer unserer Fressfeinde ist inzwischen bedenklich in der Unterzahl… von den roten Wespen habe ich schon lange keine mehr gesehen und sie sind ausgezeichnete Jäger und wir stehen ganz oben auf ihrem Speiseplan...

 

Nicht alle Mücken trinken Blut, aber die haben nun mal auch Beißwerkzeuge an ihrem Maul erhalten. Unsereins nicht!

 

Zudem hat unserer Methode den Vorteil: Wir müssen niemanden töten. Wir nehmen uns nur ein Stück dessen, von dem das Lebewesen mehr als genug hat, mehr nicht. Ist doch im Grunde sehr sozial, oder?

Und das bisschen Blutverflüssigungs-Stöffchen, das wir dann in die Einstichstelle geben, ist auch recht human. Anders wie die Tatsache, dass die Menschen zum Beispiel den Kühen eine Schwangerschaft aufzwingen, ihnen die Babys nach der Geburt wegnehmen und töten, nur um ihnen das weiße Blut abzapfen zu können.

Doch damit nicht genug! Unser Stamm der Stechmücken hilft den Menschen sogar! Einigen dienen wir als Inspiration. - Ohne das Model unseres perfekten Stechrüssels hätte der Technikerstamm unter den Menschen niemals die schmerzfreie Spritzennadel erfinden können.

 

Und wen die juckende Wunde zu sehr stören sollte, braucht sich ja nicht zu kratzen. So was nennt man auch Selbstkontrolle! Ein weiterer Punkt auf meiner Pro-Liste. Denn diese Fähigkeit zu erlernen ist für den Stamm der Menschen meines Erachtens überaus wichtig. Es geht nicht, sich ständig von Kleinigkeiten ablenken zu lassen, wo es doch die großen Probleme gibt, denen Aufmerksamkeit zu schenken wäre.

 

Des Weiteren gibt es auch bei Mutter Natur entsprechende Hilfsmittelchen, die heilend für die Haut sind. Es braucht da keine neuen chemischen Erfindungen! Wurde alles schon vor Millionen Jahren vorbereitet und in die Wege geleitet.

 

Außerdem können wir nichts dafür, wenn wir mal aus versehen verseuchtes Blut trinken. Denn wir verlassen uns ja auf unseren internen Wirkstoff, der antibakteriell wirkt. Wir haben leider keinen eingebauten Detektor, mit dem wir feststellen könnten, ob das Blut eines Lebewesens angereichert ist mit irgendwelchen Virenstämmen. Wir haben nur einen Sensor dafür wie das Blut beschaffen ist… idealerweise sollte das Blut über nackte Blutkörperchen verfügen, die lassen sich besser verdauen - in der Sprache der Menschen ist das die Blutgruppe Null.

Vermutlich hassen und jagen uns die Menschen hauptsächlich, weil sie glauben wir wären gefährliche Krankheiten-Überträger. Doch, was das betrifft gibt es da auch eine andere Seite der Wahrheit: Unsere Vorfahren waren nicht ganz unbeteiligt an der evolutionären Entwicklung der Menschen. Ja, ganz richtig gehört! Wir Stechmücken haben unseren Beitrag geleistet, damit der Mensch sich zu einem Menschen hat entwickeln können!

Denn irgendwie mussten bei den Reptilien und Säugetieren ja auch bestimmte Bausteine eingeschleust werden, die eine Umentwicklung bewirkten. Spritzen und Chemielabors gab es damals ja noch nicht!

Doch, wie es bei Veränderungen so ist, nicht jede Art kommt damit zurecht. Und wer sich dagegen sträubt, den rafft das Schicksal dahin, das hatten wir ja schon mal vor knapp 65 Millionen Jahren.

 

Und wenn die Menschen wirklich glauben, von uns gäbe es zu viele, dann sollten sie sich mit Libellen, Eintags- und Köcherfliegen zusammen tun. Deren Larven haben unsere Jungen im Wasser zum Fressen gern.

Doch stattdessen werden ganze Wasseroberflächen versiegelt und Gewässer vergiftet, was für viele Arten den Tod bedeutet! - Aber so sind die Menschen, sie konzentrieren sich nicht auf das große Ganze, sondern nur auf Kleinigkeit. Sie regen sich über ein Steinchen auf, das sie in die Fußsohle kneift, aber die Flutwelle, die donnernd auf sie zurollt, bemerken sie nicht!

 

Marena Trunkenbolde, Stechmücke

Lichtfluten aus der Steckdose

Laut den Überlieferungen unserer Vorfahren, muss das Sternengefunkel am Himmel einst wunderbar gewesen sein. Und es wurde nur übertroffen vom Lichtgefunkel in lauen Sommernächten auf Wiesen und Feldern.

So viele unserer Art haben einst Lichtsignale in die Nacht hinaus geschickt, in der Hoffnung, dass der oder die Richtige es sehen und erkennen würde. Egal, wie weit die Entfernung auch sein mochte: ein jedes Männchen machte sich auf den langen beschwerlichen Weg.

Doch irgendwie sind die Sternchen blasser geworden und Signale unbekannter Art mischen sich in das Gefunkel hinein. Einige meiner besten Freunde haben sich trotz allem auf den Weg gemacht und ich musste dann mit ansehen, wie riesige Lichtfluten auf sie niederprasselten und ihren Verstand verwirrt haben.

Dabei hatten wir uns das als Kinder so toll ausgemalt! Drei Jahre lang waren wir gemeinsam auf der Pirsch nach Schnecken und Insekten gewesen, um unseren Hunger zu stillen und um groß und stark zu werden. Immer wieder wenn die alte Hülle zu klein geworden war, haben wir uns gehäutet bis dann der große Tag angestanden war, an dem wir uns endlich verpuppen konnten, um erwachsen zu werden. Über zehn Tage hatten dann die Hormone in unseren Körper gewerkelt und uns in richtige Leuchtkäfer verwandelt.

 

Wir sind gemeinsam los geflogen und hatten uns umgeschaut. Am Anfang waren wir nur etwas irritiert. Denn irgendwie schienen die Weibchen hier eine andere Sprache zu sprechen, als die die unsere Gene uns zu funkeln geraten hatten. Dann hatte sich einer nach dem anderen auf den Weg gemacht.

 

Gestern hab ich dann auch noch meinen letzten Freund verloren.

Er hat mich aus über alles verliebten Augen angeschaut und erklärt: "Ich bin mir sicher, sie ist die, die ich gesucht habe! Auch, wenn sie anscheinend vergessen hat, wie man richtig spricht."

 

Vorsichtig bin ich ihm dann gefolgt. Hab mein Licht vorsorglich aus gelassen, damit mich niemand entdecken kann.

Mir ist aufgefallen, dass er sich dabei aus dem vor leben sprühenden Wald entfernt hat und sich diesen eckigen, toten Riesenbaumstämmen genähert hat, die im Inneren Hohl sind und über merkwürdige Eingänge verfügen.

In einen davon ist er rein geflogen, dort ist mir ein leises Gefunkel aufgefallen, das in der falschen Farbfrequenz immer mal wieder kurz aufgeleuchtet ist. Irgendwie hatte es etwas anziehendes und am liebsten hätte ich mich auch in diese Höhlung hinein begeben. Aber mein Bauchgefühl hatte mir abgeraten, so wie bei den anderen Touren auch, als meine Freunde in ihr Unglück geflogen sind.

Gespannt späte ich vorsichtig in die Höhlung hinein und beobachtete wie toll mein Freund da zu glühen und zu tanzen begann. Solch einen Tanz hatte ich noch bei keinem anderen Glühwürmchen gesehen. Im Zickzack tanzte er auf und nieder, so dass es aussah wie die Umrisse eines großen Sternes.

Dann begann er zu rotieren, immer schneller und schneller... auf einer kreisrunden Bahn. Er wirkte auf diese Weise sehr groß, beinah schon wie ein ufo - eine unglaubliche Flug-Obsession. Ich war unglaublich fasziniert, was da mein Freund so in der Luft aufführte. Und welche Kraft er da rein steckte.

Immer mal wieder passierte es, dass er kurzzeitig mal absackte - seine Kräfte gingen nach und nach zur Neige, aber er wollte sich eben von seiner bestern Seite zeigen. Doch die Dame blieb kühl und verändert in keinster Weise ihr gefunkelt. In immer gleichem, fremdartigen Wortlaut vollführte sie ihre Blinkeinheiten.

 

Mir ist immer noch unklar, wie sie bei diesen fantastischen Tanzeinlagen meines Freundes so ruhig bleiben konnte... Aber er, er machte weiter. Immer wieder raffte er sich auf und pulste und tanzte, was seine Kraft hergab.

Ich konnte es nicht länger mit ansehen und begann ebenfalls kurz aufzublinken:

"Gib auf, sie hat dich nicht verdient!"

Und mit letzter Kraft macht er sich dann auf den Rückweg... zurück zu mir in die laue Nacht. Doch oje, irgend etwas hielt ihn wieder zurück. Ich konnte nur noch sehen, wie er senkrecht, kurz vor mir runterrutschte, und dabei in das Netz einer Spinne glitt...

Es war einfach ein traumatisches Erlebnis für mich, das ich noch nicht überwunden habe... und jetzt bin ich ganz allein, als einziger Glühwurm-Mann bin ich hier übrig geblieben. Und dass nur, weil ich ein Skeptiker bin.

Vielleicht bin ich sogar der einzige meiner Spezies hier auf diesem kleinen Fleckchen Wald und es gibt gar keine Weibchen mehr... alles nur Tropfen aus Lichtfluten, die aus einer vollkommen anderen Welt stammen.

 

Kurt Skeplicht, Glühwürmchen

Geruchs-Junkies

 

Die Luft ist wieder so schwer und voll von verführerischen Düften. Da fällt es mir immer schwerer, meinen Dienst zu tun und nicht ständig den verwirrenden Gerüchen hinterher zu fliegen und sich an den süßen und herzhaften Leckereien der Menschen gütlich zu tun. Aber ich muss mich zusammen reißen, wenn ich sehe wie da meine Kolleginnen da unnatürlich herum torkeln, völlig benebelt von den merkwürdigen Inhaltsstoffen, die diese Dinge in sich tragen.

 

Ein, zweimal hab auch ich mich betören lassen und ich muss sagen, es war schon ein echt starkes Gefühl!

Ich war mir wie ein Riese vorgekommen, als könne mich nichts und niemand aufhalten. Egal, ob eine Kollegin oder gar einer dieser Zweibeiner, die da womöglich mir mein Fresschen streitig machen wollten. 

Vor allem der Zucker darin haut einen um. Die Menge ist so viel und so intensiv, dass seine Moleküle regelrecht in meinem Kopf explodiert sind. Ich kann mich im Grunde nur noch an die bunten Farben erinnern, aber was ich getan habe oder wie ich dann dort gelandet war, als ich wieder nüchtern wurde, kann ich nicht sagen. Die Daten sind alle ausgelöscht. Genauso wie das Leben viele meiner Kolleginnen...

 

Dabei hat alles so zielstrebig angefangen. Keine von uns hätte auch nur im Traum daran gedacht, nur einen Fühler von seinem Dienstplan abzurücken. Die Duftbefehle unserer Königin waren klar und deutlich. So waren wir losgezogen. Die einen auf der Suche nach Holz, als Nistmaterial, das es galt abzuschaben und zuhause in Papier umzuwandeln. Die anderen auf der Suche nach Futter für den Nachwuchs: gute proteinreiche Insekten.

Und wir sind emsig bei der Arbeit gewesen. Genauso wie auch alle anderen Wespenstämme. Wir helfen auf diese Weise auch den Pflanzen. Denn die saugenden und Grün fressenden Insekten dürfen nicht über die Maße an den Pflanzen sich nähren. Wir zügeln diese Tierbestände, so dass sie nicht zu Schädlingen für die Wurzelnden werden. 

Doch damit nicht genug! Wir sind genauso gute Blütenbestäuber wie die Bienen. Nur produzieren wir für die Menschen eben keinen Honig! Vermutlich sind wir deshalb für sie nichts besonderes und werden meist als Ungeziefer eingestuft, dass es zu vernichten gilt!

 

Ich kann das einfach nicht verstehen. Wieso sind diese Zweibeiner so blind? Obwohl, wenn ich bedenke... unser Stamm der Deutschen Wespen und auch noch unsere näheren Verwandten die Gemeine Wespe, fressen auch mal vom Futter der Menschen. Und wie wir uns dann aufführen - ich glaube, das sagt schon alles!

Ich glaube dieses Futter macht die Zweibeiner aggressiv, löscht das Wir-Gefühl aus dem Gedächtnis und erschafft im Gegenzug ein übergroßes Ego. So geht es ihnen wohl dann wie es mir vor einigen Tagen ergangen ist. 

Und wenn wir dann auch mal aus dem Rahmen fallen und die Sau raus lassen, dann sind wir die Bösen und werden dann auf brutalste Weise ertränkt und ermordet!  

 

Dabei hätten wir es doch nach all unserem Pflichtbewusstsein verdient, auch mal los lassen und einfach nur mal ernten zu dürfen. Bei den Menschen nennt sich das Rente, und die genießen sie in vollen Zügen. Dabei haben sie im Grunde doch gar nichts für die Natur getan! Sie haben sie nur vergiftet und ausgenommen! Und dafür wollen sie dann am Ende auch noch das Paradies für sich allein haben. Die eigentlichen Helfer sollen in der Versenkung verschwinden - ganz ohne Dankeschön! Dabei hat mein Stamm täglich bis zu 3000 Insekten-Tierchen gefangen, die den Pflanzen, das Leben schwer gemacht hätten. Wir gehören auch zur Gesundheitspolizei, die dabei mithelfen, Kadaver von Säugetieren schneller zu beseitigen. 

 

Außerdem nehmen die Zweibeiner uns Stück für Stück unsere Nistmöglichkeiten fort und beklagen sich, wenn wir uns dann Ersatz in Dachstühlen oder Rollladenkästen suchen. Wir würden auch lieber in einem alten Maulwurfs- oder Mäusebau unser Papierschloß bauen, aber solche vor gegrabenen Erdbauten sind selten geworden.

Wenn ich darüber nachdenke, könnte ich echt wütend werden! Aber das hat keinen Sinn! Wir könnten uns ja nicht einmal zusammen tun, um gegen diese Zweibeiner in den Krieg zu ziehen. Zu viele von uns haben sie schon getötet.

Darunter sogar einige der solitär lebenden Wespen, die ganz ohne eine Gemeinschaft wie wir sie haben, auskommen müssen. Sie sind alleinerziehende Mütter, die das Futter heranschaffen und das Nest für ihre Kleinen bauen. Und das nur, weil sie gelb-schwarz gestreift sind. 

 

Viele Wespen halten sich meist von den Menschen fern. Sie können nicht wie unser Stamm vom Duft des Zweibeiner-Futters verführt werden. Wenn die Menschen wenigstens darauf achten würden. Nur mal etwas genauer hinschauen. Ist das denn zu viel verlangt?

 

Das gilt vor allem für die Schlupfwespen, die wie geflügelte große Ameisen mit Riesenstachel aussehen. Einen kleinen Tipp am Rande! Den echten Stachel sieht man nicht. Wenn also ein Tierchen scheinbar mit einem riesigen Stachel am Hinterteil herum fliegt, dann ist das nur der Legebohrer, damit die Eier für den Nachwuchs tief unter die Rinde im alten Holz abgelegt werden können. Das ist alles!!

 

Zudem sind die Menschen selbst daran schuld, wenn sie von einem aus meinem Stamm gestochen werden. Wir sind Lebewesen, die in einem komplexen Wir-Bewusstsein arbeiten. Und wenn dann die Duftwolke Angst oder Wut von den Zweibeinern rüber weht, dann schaltet unser Körper direkt in den Kampfbereitschaft-Modus. Dann beginnen wir dann mit einem wilden Drauflosgesteche gegen alles, was größer ist als wir.

Und, wenn wir das Gefühl haben, gleich zu ersticken, agieren wir natürlich auf ähnliche Weise. Das heißt alles, was nach Kohlendioxid stinkt, wird von uns als Gefahr wahrgenommen. Die Menschen atmen das Zeug ja auch aus, damit sie nicht daran ersticken.

 

Übrigens: Wespe ist nicht gleich Wespe, auch wenn der Mensch gerne alles einheitlich zu einer Art zusammen zu quetschen versucht. Es gibt vier Stämme der Langkopfwespen. Deren Staat wächst sehr schnell, doch spätestens Mitte August ist alles schon wieder vorbei. Ihre grauen, gewickelten Nester finden sich in Schuppen und Dachböden. Besonders selten geworden ist davon die Mittlere Wespe, die ihre freihängenden Papiernester nur in Hecken und Bäumen anbringen. Des Weiteren gibt es drei Arten von Kurzkopfwespen - mein Stamm gehört auch dazu. Und nur die Rote Wespe ist von den Kurzkopfwespen zu selten, so dass sie den Menschen gar nicht mehr auffällt. 

 

Unser Staat der Deutschen Wespen oder der Gemeinen Wespe lebt meist bis Ende Oktober, in Häusernähe auch mal bist November. Die Rote Wespe dagegen sucht kühlere Orte, und ihre Arbeiterinnen sterben so Mitte September. Sie sehen unserem Stamm zwar sehr ähnlich, fallen aber mit ihren zwei roten Bauchringen auf - wenn man hinschaut!

Und auf ihrem Speiseplan stehen die Stechmücken, die der Mensch noch mehr hasst als unseren Stamm. Wenn also zu viele Stechmücken herum fliegen und die Menschen pieksen, dann trägt er wohl selbst die Schuld daran. Gäbe es genügend Rote Wespen, würde es das Problem nicht geben!

Außerdem ist der Staat der Roten Wespen viel kleiner als unserer, nur 150 bis maximal 350 Tiere leben in einem Nest. - Wir dagegen bringen es auf einige Tausende. Vor allem so ab Juni, denn dann legt nicht nur die Königin Eier, sondern auch einige der Arbeiterinnen. Und auch darin sind wir den Menschen sehr ähnlich! Wir bauen regelrechte Großstädte - nur mit dem Unterschied: Unsere Stadt ist perfekt angepasst und besteht aus rein natürlichen, gut recycelbaren Materialien.

Darüber hinaus gibt es auch noch die echten Wespen, zu denen die Hornissen zählen. Sie sind die einzigen, die meist gegen Abend und in der Nacht ausfliegen, um auf die Jagd zu gehen. Doch auch hier hat der Mensch tödliche Fallen aus Licht aufgestellt!

 

Und noch was! Die Feldwespen sind nochmal ein ganz anderer Stamm als der unsere. Sie zählen zu den Faltenwespen, sind also keine sogenannten echten Wespen, wie das die zweibeinigen Fachleute so erklären. Noch leben sechszehn Arten hier in Deutschland, aber wer weiß, wie viele es noch im nächsten Jahr sind... ach, wir Wespen leben einfach in einer schrecklichen Zeit - für uns scheint die Apokalypse schon angebrochen zu sein! 

 

Nikki Fresslein

 

Ein Ritter ohne Furcht und Tadel

Mein Stamm ist unter all den vielen Wiesenhelden etwas ganz besonderes. Wir kämpfen sozusagen für Mutter Natur, wühlen uns durch alle Arten von Dreck und sorgen im Grunde dafür, dass die Pflanzen immer genügend Nahrung bekommen. Unser Outfit hat etwas von einer Ritterrüstung und so manche Metalle haben wir zum Fressen gern. 

Vor allem Schwermetalle, die dem Menschen so gar nicht bekommen, gehören dazu. Dank uns und unseren Verwandten den Springschwänzen können im Laufe der Zeit sogar stark kontaminierte Landgebiete wieder gesäubert werden. Wir fressen  das alles und unser Bauch wandelt die Stoffe dann in Humus um. Allerdings haben wir auch unsere Grenzen. Plastikmüll  können wir leider nicht verwerten und Pestizide sind auch nicht wirklich unser Ding, obwohl wir damit noch besser zurecht kommen, als so manches Insekt.

 

Kalk ist für unser Überleben so wichtig wie bei den Gehäuseschnecken. Dieses Material verleiht unserem Außenskelett den notwendigen Halt, um uns zu schützen. Doch der Panzer wächst nicht mit. Wenn wir wachsen, müssen wir uns daher regelmäßig häuten. Allerdings werfen wir unser altes Kleid nicht so einfach weg, wie das der Mensch tut. Wir sind Recycler durch und durch und verwerten diesen Teil genauso, wie alles andere, was wir finden. 

 

Zudem sind wir bestrebt in möglichst vielen Bereichen wohnhaft zu werden. Denn wir wissen Mutter Natur braucht für ihre Pflanzen Humus. Einige Stämme meines Clans, kommen sogar in Wüstengegenden ganz gut klar - und dort sind diese dann die einzigen die Humus herstellen können. Die beliebten Regenwürmer dagegen könnten dort nicht überleben. Allerdings wird das Überleben für die Ringelwürmer hier in Europa auch immer schwieriger. Die Überdüngung der Felder hat dazu geführt, dass es nicht nur ein großes Insektensterben gibt, sondern auch ein Regenwurmsterben. Wenn das so weiter geht, sind wir Asseln die einzige Hoffnung, so dass die Pflanzen entsprechend wachsen können. Auch wenn es heißt, dass der eine oder andere Jungkeimling von uns aufgefressen wird. Aber das nennt sich nun mal natürliche Auslese... nur die Besten bleiben auf dem Acker.

 

Auch bei den Menschen halten wir uns meist ganz gerne auf, in den Kellern ihrer Häuser. Doch sollte sich der Mensch weniger über uns Dasein ärgern. Er sollte viel mehr daran denken: Kellerasseln? Aha, der Keller ist zu feucht - das ist für mein Haus nicht gut. Da sollte ich entsprechende Drainagen legen, weil sonst mit der Zeit der Schimmel in den Mauern Einzug halten wird. 

Ich verstehe nicht, dass wir bei den Menschen so gar nicht gerne gesehen sind! Dabei sind wir doch die Saubermacher der Natur und perfekte Recycling-Maschinen. Wir könnten geradezu Vorbilder für jeden Menschen sein!

 

Schon als meine Vorfahren vor 260 Millionen Jahren noch im Meer gelebt haben, waren sie recht emsig beim Fressen und nicht gerade wählerisch, was das Futter betrifft. Wir gehören nämlich nicht zu den Insekten. Wie haben keine 6 Beine sondern 14 Beine. Wir Asseln zählen zu den Krebstierchen - und die hat so mancher Mensch zum Fressen gern. Uah... zum Glück werden wir nicht lebendig in heißes Wasser geworfen und müssen auf quälendste Weise verenden. Dafür schreit aber gern mal so mancher Mensch auf, wenn er einen von uns bei sich im Keller findet.

 

Dabei sollte der Mensch sich lieber Gedanken machen, welch grandiosen Schritt wir Asseln getan haben, um an Land überleben zu können. Wir haben nämlich wie die Fische Kiemen. Als es dem Menschen zum ersten Mal gelang, mit einem Tauchgerät unter Wasser atmen zu können, da war das schon etwas Außergewöhnliches - und das ist nicht mal 300 Jahre her. Wir Asseln dagegen leben bereits seit Millionen vor Jahren mit einer Art Tauchgerät, das an Land das Wasser sozusagen simuliert. Gut, im Laufe der Zeit haben wir Kellerasseln auch an unseren Beinen Luftatmungssystem zusätzlich entwickelt, das auch Insekten haben.

Ich als Weibchen habe sogar am Bauch eine Wassertasche, in den meine Eier hinein kommen und so wie in einem Aquarium heran reifen können. Mein Nachwuchs schlüpft im Grunde erst, wenn sie aus dem Ei geschlüpft sind - als lebendes Jungtiere. Und wir bleiben gerne noch ein Weilchen zusammen als Familie. Da kann man ja so viel von einander lernen. Wir mögen Gesellschaft. Wir wissen wie wichtig Zusammenarbeit ist. Und dazu braucht es keine große Publicity. Wir arbeiten gerne im Dunkeln und tun unseren Dienst - im Grunde wie die, bei den Menschen beliebten, wenn auch imaginären Heinzelmännchen.

 

Tanja Vielkönner, Kellerassel